Tuesday 18 March 2008

Anno Domini Nostri Günther Grass

Ist es die Verpflichtung des Intellektuellen sich in politische Geschehnisse einzumischen?

Ich habe Günther Grass noch nie gemocht. Seine Bücher waren mir zu belastet mit der Vergangenheit und seine Person war mir zu politisch. Wieso er den Literaturnobelpreis erhalten hat, war mir rätselhaft. Vor allem die Auftritte im SPD Wahlkampf haben in mir Unmut geweckt. Es kann doch nicht sein, dass ein Schriftsteller, hochgeachtet dazu, Werbung für eine Partei wie die SPD macht.

Doch seit ich studiere, sehe ich vieles anders. Ja, ich denke sogar, dass Akademiker die Pflicht haben, die gesellschaftlichen und politischen Zustände zu kritisieren. Denn wer sollte es sonst tun? Waren Sie schon einmal vor ihrer Haustür? Auf den Straßen ihrer Stadt? Denken Sie, dass die Jugendlichen von heute, mit ihren Vokuhilas und Chucks, die Kritiker von morgen werden? Die Gesellschaft ist überhaupt nicht in der Lage sich selbst auf diesem Niveau zu verteidigen und Medien kritisieren in der Regel nur, wenn es in ihr Konzept passt oder sie direkt angegriffen werden.
Die Gesellschaft braucht also die aktiven Intellektuellen, welche den Zeigefinger heben und die Gesellschaft gegen subtile Angriffe schützt, die sonst unbemerkt blieben. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?
Die Opposition der Akademiker bröckelt, wie man zuletzt in der Debatte um die Studiengebühren oder, ein wenig spezifischer, die Zukunft der Geisteswissenschaften gesehen hat. Was für Grass die Bürde der Nationalsozialisten ist, ist für den politisch aktiven Studenten die Bürde der Achtundsechziger. Zu leicht wird man als linker Revolutionär oder Sozialist abgetan und für nicht Ernst genommen. Vielen behagt diese Atmosphäre nicht, weil sie konservativ erzogen wurden oder generell apolitisch sind. Auch hat sich das Bewusstsein hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Lag der Fokus in den siebziger Jahren auf den persönlichen Freiheitsrechten, so sind heute die individuellen Konsummöglichkeiten das höchste Gut. Nichts hat unsere Welt so sehr gefesselt, wie das Rauchverbot an öffentlichen Orten. Vorratsdatenspeicherung? Nebensache!

Von daher muss man sich die bange Frage stellen: Wird es eine Zeit nach Grass geben?

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