Hier ein bisschen Linguistik in klar verständlichen, wenn auch stark vereinfachten, Worten.1 Einige Linguisten gehen davon aus, dass der Mensch von Geburt an die Fähigkeit besitzt zu wissen, dass zum Beispiel der Satz
Tom wirft einen Ball.
im Gegensatz zu
*Der wirft Tom Ball.
korrekt ist. Da Kinder relativ schnell die möglichen Satzkonstruktionen einer Sprache lernen und diese von fehlerhaften differenzieren können, führte dies zur Annahme, dass das Gehirn, evolutionär-genetisch bedingt, fast alleine diese Entwicklung steuert. Berühmtester Vertreter dieser Annahme ist Noam Chomsky, Professor am MIT.
Nun gab es vom 11.03 bis zum 15.03.08 eine Konferenz über die Evolution der Sprache (evolang 2008), bei der die Gegner dieser so genannten Generativisten zur Sprache kamen. Hauptaugenmerk lag dabei auf dem Buch von Terrence Deacon (The Symbolic Species) welches die Meinung vertritt, dass nicht nur das Gehirn und dessen zielgerichtete Evolution dazu beigetragen haben Sätzen eine innere Struktur zu geben, sondern, dass das Gehirn und auch die Sprache selbst in diesen (Strukturierungs-)Prozess eingebunden sind.2
Zu dieser Co-Evolutions These wurden jetzt zwei interessante Studien erstellt. Simon Kirby hat mit Hilfe eines Computers eine Sprache geschaffen deren Sätze keiner festen Struktur (Syntax3) folgen. Ebenso zufällig sind die Wortbedeutungen mit den einzelnen Wörtern und deren Aussprache assoziiert. Diese Sprache wurde dann von einer Person gelernt, welche sie wiederum anderen Personen beigebracht hat und so weiter. Dies soll die nachfolgenden Sprechergenerationen und deren Lernverhalten simulieren. Mit zunehmender Zahl der Generationen hat sich die Sprache - sowohl deren Aussprache, als auch die Struktur - soweit vereinfacht, durch Entwicklung von Regelmäßigkeiten, dass sie einfacher und effizienter weitergegeben werden konnte.4
Meine Kritik an dem Experiment: Ich nehme einmal an, dass die Versuchspersonen keine (P-)Zombies waren, sondern normale Menschen in einem gewissen Alter > 2 Jahren. Ich könnte mir deshalb vorstellen, dass es ein Problem gibt, da diese Menschen zumindest eine Sprache gelernt und damit eine gewisse Grundvorstellung von Satzstruktur haben. Interessant wäre es zu wissen, ob sie die Satzstruktur der neuen Sprache an die Satzstruktur ihrer Muttersprache angepasst haben.
Die zweite Studie wurde von David Gil vorgestellt und behandelt die Sprachlernfähigkeit von Sprechern der indonesischen Riau Sprache. Diese Sprache soll sehr simpel sein und nichtsdestotrotz sind die Sprecher in der Lage, weitaus komplexere Sprachen zu lernen. Daraus schlussfolgerte Gil, dass kein einfacher Zusammenhang zwischen Sprachkomplexität und Gehirnstruktur existiere, genauso wenig wie zwischen Sprachkomplexität und kultureller Komplexität.
Wichtig: Dieser Artikel beruht hauptsächlich auf einem Beitrag auf Babel's Dawn. Für eine Vertiefung und bessere sprachliche und fachliche Qualität empfehle ich den Originalartikel.
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Anmerkungen:
1 Eine Herausforderung, der ich mich stelle. Einem Linguisten könnte man sagen: "Die Sprache hat ein arbiträres Lautsystem. Die Semen der Lexeme sind arbiträr. Die Sprache hat keine Syntax."
2 Im Prinzip liegt man nicht verkehrt zu sagen, dass je älter die Sprache ist, desto komplizierter ist sie auch. Von der sumerischen Sprache, welche ungefähr 3200 Jahre vor Christus gesprochen wurde, nimmt man an, dass sie 10 unterschiedliche Kasus hatte. Deutlich mehr als im Neuhochdeutschen (Nominativ, Genitiv, Akkusativ, Dativ).
3 Sprich, sie haben keine erkennbares Muster wie zum Beispiel ein typischer Satz im Deutschen:
Tom (Subjekt) baut (Prädikat) ein Haus. (Objekt)
4 Ich meine mich zu erinnern, dass ich etwas ähnliches schon einmal im Zusammenhang mit Pidgin und Kreolisierung gehört habe, bin mir aber nicht sehr sicher. Auf unterschiedlichen Inseln im Pazifik kamen zwei Völker in Handelskontakt und schufen eine so genannte Lingua Franca (Handelssprache), mit der sie handeln konnten. Diese Handelssprache entwickelte sich dann im Laufe der Jahre zu einer eigenen Sprache, welche fast vollständig übernommen wurde. Es bildete sich sogar eine eigene Syntax.
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