Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt schrieb Wittgenstein in seinem Tractatus (Wittgenstein 1921) und sagte damit, dass man nur soweit denken kann, wie einen seine Sprache trägt. Ist aber das Denken selbst durch die Sprache beeinflusst? Gibt es so etwas wie non-verbale Gedanken, i.e. Gedanken die ich nicht in meiner Sprache ausdrücken kann? Schon die beiden Kant Schüler Hamann und Herder haben über den Determinismus nachgedacht und Humboldt schrieb 1836, dass die Sprache das Organ des Denkens sei. (Humboldt 1836)
Gut 120 Jahre später beschäftigt sich ein Laienlinguist mit diesem Problem und prägt die posthum nach ihm benannte (Sapir-)Whorf Hypothese. Diese Hypothese sagt, dass eine Einzelsprache (z.B. Deutsch) Einfluss auf das Denken eines Individuums hat und impliziert damit, dass es nicht möglich ist, die Realität auf eine objektive Weise über Sprache zu beschreiben, da jede Sprechergemeinschaft eine eigene Vorstellung von Realität hat.
Eigentlich beginnt die Geschichte dieser Hypothese mit dem Ethnologe Franz Boas, welcher die Sprachen der Ureinwohner Amerikas, speziell der Hopi-Indianer, untersuchte und dabei eine Relation zwischen Grammatik und geographischer Lage herstellte. Er folgerte daraus, dass Sprache als Reflexion der Kultur zu verstehen sei.
Sapir, der Schüler von Boas war und seine Magisterarbeit über Herders Abhandlung über den Ursprung der Sprache schrieb, vertrat als Anthropologe und Linguist die These, dass die Sprache und das Denken, mehr oder weniger, in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen und das Sprache das Denken determiniert – deshalb auch linguistischer Determinismus genannt. (Sapir 1929, 1958)
Whorf, eigentlich Chemiker, eignete sich sein linguistisches Wissen autodidaktisch an und war Schüler von Sapir. Er selbst kam nie in Kontakt mit den ursprünglichen Hopi-Indianern. Seine Idee war, dass die Realität anhand bestimmter Wertigkeiten durch linguistische Systeme in Konzepte eingeteilt wird. Dadurch, dass diese Wertigkeit durch Übereinkunft mit den Sprechern einer Sprechergemeinschaft getroffen wird, spiegelt sich in jeder Sprache ein einzigartiges Weltbild wieder, i.e. die physischen Zeichen werden unterschiedlich in den Sprechergemeinschaften bewertet und so entsteht ein anderes Bild der Realität – deshalb auch linguistischer Relativismus genannt. (Whorf 1940)
Benjamin Lee Whorf
Bekannt ist sein Vergleich der englischen Sprache mit der Sprache der Hopi-Indianer anhand der grammatischen Struktur. Die englische Sprache tendiert dabei eher die Realität als Objekt im Raum zu analysieren. Gegenwart und Zukunft werden als Lokalitäten gesehen und die Zeit als Weg zwischen ihnen, deshalb werden auch Phrasen wie drei Äpfel und drei Tage als grammatisch gleichwertig angesehen. Unsere Sprache besteht aus vielen Metaphern um die Abstrakten Begriffe der Zeit zu fassen, so kann man zum Beispiel Zeit genauso verschwenden wie sein Geld. Hopi, im Vergleich dazu, ist eher prozessorientiert. Was Whorf nicht berücksichtigt hat, da er selbst nie Feldarbeit leistete, war, dass es auch zwei Zeiten bei der Verbkonjugation in der Hopi-Sprache gibt – manifestiert und nicht-manifestiert. Manifestiert bezeichnet dabei alles konkret Wahrnehmbare, physisch Existente, in Gegenwart und Vergangenheit. Nicht-manifestiert bezeichnet alles Nicht-Physische und Nicht-Wahrnehmbare.
Dieser Idee liegt auch zu Grunde, dass die kulturellen Unterschiede von Sprechern deren Sprache einer gemeinsamen Sprachfamilie angehören, also zum Beispiel Deutsch und Niederländisch (Indogermanisch > West-Germanisch), nicht so gravierend sind wie der kulturelle Unterschied von Sprechern unterschiedlicher Sprachfamilien, also zum Beispiel Deutsch und Chinesisch (Sinotibetisch). Diese Schlussfolgerung ist natürlich kompletter Schwachsinn. Sprachen einer Sprachfamilie sind natürlich geographisch näher zusammen und damit ist auch der kulturelle Austausch eher vorhanden als zwischen Deutschland und China. Außerdem gibt es Sprachen wie Türkisch und Japanisch, die beide vielleicht der makro-altaischen Sprachfamilie angehören und deren Kultur wohl grundverschieden ist.
Ein weiteres Problem ist das der Übersetzung. Nach der starken These würde es nicht möglich sein die Inhalte eines Satzes in eine andere Sprache zu übersetzen. (Chandler 1995) Tatsächlich beklagt sich der Dichter Pablo Neruda darüber, dass seine Gedichte in der Übersetzung an etwas verlieren, obwohl der Sinn erhalten bleibt. Das ein Gedicht und ein Handelsvertrag anders in der Übersetzung zu bewerten sind, liegt aber wohl eher daran, dass Gedichte nach einzigartigen künstlerischen und einzelsprachspezifischen Gesichtspunkten geschrieben werden, wie zum Beispiel die Wortlänge und dem musikalischen Gehalt (Metrik). In der Tradition der Universalisten sagt Karl Popper, dass was auch immer in einer Sprache ausgedrückt wird in eine andere, mit relativem Aufwand, übersetzt werden kann. (Popper 1970) Ein konkretes Beispiel: Das Volk der Pintupi hat ein Wort für das Loch welches durch einen Goanna (besonderer australischer Waran) bei seinem Durchbruch an die Oberfläche nach seinem Winterschlaf hinterlassen wurde – oder in der Sprache der Pintupi katarta. Man kann also mit vielen Wörtern das gleiche Konzept beschreiben und so können auch Nuancen durch, mehr oder weniger aufwendiges, das Paraphrasieren übertragen werden. Ein Problem am Rande ist das der Synonyme. Da jedes Wort sozusagen einzigartig ist, gibt es nach der starken Auslegung der These keine absolut deckungsgleichen Synonyme, denn Form und Bedeutung sind untrennbar miteinander verknüpft. (Fish 1980)
Der starke Whofianismus ist kaum zu vertreten und findet auch kaum Anhänger. Er ist eher als extremster Punkt auf einer Skala zu sehen, der zur theoretischen Orientierung geschaffen wurde. Als Knockoutkriterium führt Pinker den Fall des Immigrantenkinds Idlefonso an, der völlig ohne Sprache und trotzdem intelligent mit mathematischen Fähigkeiten ausgestattet war. Er konnte später dann sogar Zeichensprache lernen. Wie hätte er dies ohne Denken leisten können? (Schaller 1991)
Gut 120 Jahre später beschäftigt sich ein Laienlinguist mit diesem Problem und prägt die posthum nach ihm benannte (Sapir-)Whorf Hypothese. Diese Hypothese sagt, dass eine Einzelsprache (z.B. Deutsch) Einfluss auf das Denken eines Individuums hat und impliziert damit, dass es nicht möglich ist, die Realität auf eine objektive Weise über Sprache zu beschreiben, da jede Sprechergemeinschaft eine eigene Vorstellung von Realität hat.
Eigentlich beginnt die Geschichte dieser Hypothese mit dem Ethnologe Franz Boas, welcher die Sprachen der Ureinwohner Amerikas, speziell der Hopi-Indianer, untersuchte und dabei eine Relation zwischen Grammatik und geographischer Lage herstellte. Er folgerte daraus, dass Sprache als Reflexion der Kultur zu verstehen sei.
Eine bekannte Hopi Künstlerin
Sapir, der Schüler von Boas war und seine Magisterarbeit über Herders Abhandlung über den Ursprung der Sprache schrieb, vertrat als Anthropologe und Linguist die These, dass die Sprache und das Denken, mehr oder weniger, in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen und das Sprache das Denken determiniert – deshalb auch linguistischer Determinismus genannt. (Sapir 1929, 1958)
Edward Sapir
Whorf, eigentlich Chemiker, eignete sich sein linguistisches Wissen autodidaktisch an und war Schüler von Sapir. Er selbst kam nie in Kontakt mit den ursprünglichen Hopi-Indianern. Seine Idee war, dass die Realität anhand bestimmter Wertigkeiten durch linguistische Systeme in Konzepte eingeteilt wird. Dadurch, dass diese Wertigkeit durch Übereinkunft mit den Sprechern einer Sprechergemeinschaft getroffen wird, spiegelt sich in jeder Sprache ein einzigartiges Weltbild wieder, i.e. die physischen Zeichen werden unterschiedlich in den Sprechergemeinschaften bewertet und so entsteht ein anderes Bild der Realität – deshalb auch linguistischer Relativismus genannt. (Whorf 1940)
Benjamin Lee Whorf
Bekannt ist sein Vergleich der englischen Sprache mit der Sprache der Hopi-Indianer anhand der grammatischen Struktur. Die englische Sprache tendiert dabei eher die Realität als Objekt im Raum zu analysieren. Gegenwart und Zukunft werden als Lokalitäten gesehen und die Zeit als Weg zwischen ihnen, deshalb werden auch Phrasen wie drei Äpfel und drei Tage als grammatisch gleichwertig angesehen. Unsere Sprache besteht aus vielen Metaphern um die Abstrakten Begriffe der Zeit zu fassen, so kann man zum Beispiel Zeit genauso verschwenden wie sein Geld. Hopi, im Vergleich dazu, ist eher prozessorientiert. Was Whorf nicht berücksichtigt hat, da er selbst nie Feldarbeit leistete, war, dass es auch zwei Zeiten bei der Verbkonjugation in der Hopi-Sprache gibt – manifestiert und nicht-manifestiert. Manifestiert bezeichnet dabei alles konkret Wahrnehmbare, physisch Existente, in Gegenwart und Vergangenheit. Nicht-manifestiert bezeichnet alles Nicht-Physische und Nicht-Wahrnehmbare.
Dieser Idee liegt auch zu Grunde, dass die kulturellen Unterschiede von Sprechern deren Sprache einer gemeinsamen Sprachfamilie angehören, also zum Beispiel Deutsch und Niederländisch (Indogermanisch > West-Germanisch), nicht so gravierend sind wie der kulturelle Unterschied von Sprechern unterschiedlicher Sprachfamilien, also zum Beispiel Deutsch und Chinesisch (Sinotibetisch). Diese Schlussfolgerung ist natürlich kompletter Schwachsinn. Sprachen einer Sprachfamilie sind natürlich geographisch näher zusammen und damit ist auch der kulturelle Austausch eher vorhanden als zwischen Deutschland und China. Außerdem gibt es Sprachen wie Türkisch und Japanisch, die beide vielleicht der makro-altaischen Sprachfamilie angehören und deren Kultur wohl grundverschieden ist.
Ein weiteres Problem ist das der Übersetzung. Nach der starken These würde es nicht möglich sein die Inhalte eines Satzes in eine andere Sprache zu übersetzen. (Chandler 1995) Tatsächlich beklagt sich der Dichter Pablo Neruda darüber, dass seine Gedichte in der Übersetzung an etwas verlieren, obwohl der Sinn erhalten bleibt. Das ein Gedicht und ein Handelsvertrag anders in der Übersetzung zu bewerten sind, liegt aber wohl eher daran, dass Gedichte nach einzigartigen künstlerischen und einzelsprachspezifischen Gesichtspunkten geschrieben werden, wie zum Beispiel die Wortlänge und dem musikalischen Gehalt (Metrik). In der Tradition der Universalisten sagt Karl Popper, dass was auch immer in einer Sprache ausgedrückt wird in eine andere, mit relativem Aufwand, übersetzt werden kann. (Popper 1970) Ein konkretes Beispiel: Das Volk der Pintupi hat ein Wort für das Loch welches durch einen Goanna (besonderer australischer Waran) bei seinem Durchbruch an die Oberfläche nach seinem Winterschlaf hinterlassen wurde – oder in der Sprache der Pintupi katarta. Man kann also mit vielen Wörtern das gleiche Konzept beschreiben und so können auch Nuancen durch, mehr oder weniger aufwendiges, das Paraphrasieren übertragen werden. Ein Problem am Rande ist das der Synonyme. Da jedes Wort sozusagen einzigartig ist, gibt es nach der starken Auslegung der These keine absolut deckungsgleichen Synonyme, denn Form und Bedeutung sind untrennbar miteinander verknüpft. (Fish 1980)
Der starke Whofianismus ist kaum zu vertreten und findet auch kaum Anhänger. Er ist eher als extremster Punkt auf einer Skala zu sehen, der zur theoretischen Orientierung geschaffen wurde. Als Knockoutkriterium führt Pinker den Fall des Immigrantenkinds Idlefonso an, der völlig ohne Sprache und trotzdem intelligent mit mathematischen Fähigkeiten ausgestattet war. Er konnte später dann sogar Zeichensprache lernen. Wie hätte er dies ohne Denken leisten können? (Schaller 1991)
Der schwache Whorfianismus macht dagegen einige Abstriche und ist weit schwerer zu widerlegen. Anstatt zu behaupten, dass die Sprache das Denken determiniert, wird behauptet, dass die Sprache das Denken nur beeinflusst und damit die Wahrnehmung der Realität. Die Sprache wird auch nicht als losgelöstes System (Saussure: Langue) betrachtet sondern konkret in den sozio-kulturellen Kontext gesetzt (Saussure: Parole). Die Varietäten und die Sprachgewohnheiten der Sprecher werden zum beeinflussenden Element erklärt. So sagt Sapir, dass die Gesellschaften unterschiedliche Welten sind und nicht eine Welt mit unterschiedlichem Etikett. (Sapir 1929, 1958)
Auf dieser These beruht auch die Aussage, dass die Inuit eine Vielzahl von einzigartigen Wörtern für Schnee haben, was von Pullum widerlegt wurde und hier nicht aufgegriffen werden soll, da schon genug darüber geschrieben wurde. (Pullum 1994) Zu einiger Berühmtheit sind die Farbtests gelangt bei denen Ureinwohner unterschiedliche Farben kategorisieren sollten. Fokalfarben (z.B. rot) für die sie Wörter hatten, konnten von ihnen akkurater identifiziert werden. Nun bekamen sie aber 16 Wörter einer anderen Sprache beigebracht, um die Farben zu benennen - darunter 8 Wörter für Fokalfarben und 8 Wörter für Nebenfarben - und siehe da, wieder wurden die Fokalfarben akkurater mit den entsprechenden Fremdwörtern belegt. Pinker sagt dazu, dass wir die Farben so lernen wie wir sie auch wahrnehmen und nicht umgekehrt.
Das Farbspektrum
Was wir wissen ist, dass das Gehirn Assoziationen zwischen semantischen Konzepten und phonetischen Repräsentationen lagert, wobei die Anfangslaute wichtiger als die Endlaute sind. Beziehung zwischen unterschiedlichen semantischen Konzepten, die nur indirekten Bezug zueinander haben, werden ebenso gelagert und können durch phonetische Ähnlichkeit leichter abgerufen werden. Die Sprache unseres Denkens ist aber wahrscheinlich nicht die der natürlichen Sprache mit der wir uns auch verbal unterhalten. Man geht davon aus, dass es sich um eine metasprachlichen Vorform davon handelt, welche mit Konzepten arbeitet, das sogenannte Mentalesisch, was aber auch umstritten ist und weiteren Erklärungsbedarf bräuchte.
Die Phrenologie als Vorläufer der Theorie zur Modularität des Geistes
Greenberg, der lange Zeit die universellen Elemente in der Sprache gesucht und untersucht hat, bestätigt, dass der Anteil an fundamentalen Elementen in der menschlichen Verhaltensweise unter verschiedensten Sprachen größer ist als die idiosynkratischen Unterschieden, welche die Theorie des linguistischen Relativismus vorhersagt.
Ein weiteres Beispiel gegen linguistischen Relativismus ist das Argument von Fodor, dass es einfache Module für visuelle Wahrnehmung gibt, welche nicht von der Sprache beeinflusst werden können.
Die bekannte Müller-Lyer Illusion
Obwohl ich weiß, dass die Striche gleich lang sind, nehme ich sie nicht als gleich lang wahr. Die linguistische Information modifiziert also das entsprechende Wahrnehmungsmodul nicht und ergo hat die Sprache keinen Einfluss auf meine Wahrnehmung und so ist der linguistische Relativismus widerlegt. Allerdings wissen wir nicht wie Module für höhere neuronale Prozesse funktionieren und so können Aspekte des linguistischen Relativismus trotzdem wahr sein und die Einflussnahme der Sprache subtiler als bisher gedacht sein. (Fodor 1984) Es gilt deshalb sich folgende Frage zu stellen: Welche Aspekte der Sprache beeinflussen das Denken in systematischer Weise und wie stark ist dieser Einfluss?
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Wittgenstein, L. Logisch-philosophische Abhandlung (Tractatus Logico-Philosophicus). 1921.
Humboldt, W. von. Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und seinen Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts. 1836.
Sapir, E. Language: An introduction to the study of speech. 1929.
Whorf, B. L. Science and Linguistics. In: Technology Review 42 (6): 229-31, 247-8. 1940.
Chandler, D. The Act of Writing. 1995.
Popper, K. Normal Science and its Dangers. In: Criticism and the Growth of Knowledge. 1970
Fisher, S. Is There a Text in This Class? The Authority of Interpretative Communities. 1980
Pullum, G. K. The Great Eskimo Vocabulary Hoax and Other Irreverent Essays on the Study of Language. 1991.
Pinker, S. The Language Instinct. 1994